Konzepte und Lebensangst

27. November 2019
Juri Viktor Stork

Jede Religion, ob christlich, muslimisch, budhistisch, atheistisch, kapitalistisch oder was auch immer entbindet nicht davor, sein Leben selbst zu leben. Die eigene Wahrheit, das eigene Licht ist nicht in Konzepten zu finden, so überzeugend sich diese manchmal auch präsentieren. Auch mittels der Astrologie findet niemand die Erleuchtung, den auch sie ist „nur“ ein Konzept (allerdings ein gutes Konzept, das viele hilfreiche Wegweiser geben kann).

Suche deinen Kern, suche dein Zentrum, höre auf dich und in dich, handle nach dem, was du in dir findest. So wirst du wachsen. Nichts entbindet uns vom Auftrag, uns selbst zu entwickeln.

Unsere Probleme mit uns selbst werden mit einem Horoskop nicht gelöst, doch sie erhalten einen Namen, einen Ort oder eine seelische Dimension. Vom Astrologen erhältst du eine Landkarte, die ein Stück deiner Seele, deiner Psyche abbildet. Die Angst ist ein mächtiges Gebilde, und lässt sich mit „Verstehen“ nicht einfach wegzaubern. Wenn du einen Stein ins ruhige Wasser wirfst, so bilden sich Wellen, die sich konzentrisch nach Aussen bewegen und sich irgendwannd auflösen. Die Wasseroberfläche wird wieder ruhig und glatt. Genau so verhält es sich mit der Angst. Du kannst die Wellen nicht wegmachen. Schau ihnen zu. Das Wasser wird sich beruhigen, ausser, du wirfst neue Steine…

Wir alle tendieren dazu, unseren existentiellen Ängsten aus dem Weg zu gehen. Angst vor dem Alleine sein, Angst vor dem Kontakt, Angst vor der Liebe, Angst vor der Ohnmacht und der Macht, Angst vor der Abhängigkeit. Manchmal scheint mir, alleine die Ausseinandersetzung mit der eigenen Angst bringt wirklich Wachstum. Dort ist das eigene Potential versteckt, dort ist unentdecktes Land.

Jenseits von Konzepten

Jenseits von Konzepten ist die Welt der Wahrnehmung. Wir neigen dazu, alles zu benennen und sprechen damit eine Art „magischen Bann“. Das Benennen entfernt das Benannte von uns, hilft uns, uns in einer Relation dazu zu fühlen. Die Wirklichkeit aber ist Unbenannt, ist Einheit, die vielleicht nur die ganz kleinen Kinder auf dieser Erde noch fühlen. Wir alle kommen aus dieser Einheit und werden auch wieder dorthin zurückkehren. Das Erleben dieser Einheit ist – so wage ich zu behaupten – ein Grundbedürfniss von uns allen. Wir suchen dies ununterbrochen und sträuben uns mit Händen und Füssen dagegen, uns abgetrennt zu fühlen… Der Irrtum dabei ist, dass wir die Einheit hier auf dieser Erde suchen, sei es im Verein, in politischen Gruppierungen, in einer Partnerschaft, in einem Ashram usw. Da die Einheit aber für uns Menschen hier auf Erden bedeutet, uns im andern aufzulösen, funktioniert dies nicht. Jeder Mensch hat seine eigene Realität und Ganzheit, die nicht unbedingt kompatibel mit der der Nachbarin sein muss.

Erst mit der Erfahrung der Einheit im eigenen Innern, die aber das Zulassen des Gefühls des Alleineseins voraussetzt, können wir wirklich wachsen, ohne andern unsere Bedingungen aufzuzwingen. Die Astrologie ist ein Weg, seine Einheit zu begreifen, und in einem zweiten Schritt vielleicht diejenige des Gegenübers. Letztendlich muss jedoch auch die Astrologie als Konzept losgelassen werden und die Gefühle echt und ohne Filter gelebt werden.

Es scheint mir wichtig, sich bereits im Hier und Jetzt auf das ganze Leben einzulassen, und das ganze Leben schliesst die diesseitige wie jenseitige Realität ein. Lebe intensiv, in jeder Beziehung, gib dich dem Leben hin wie eine Rose dem Licht. Das Leben wird dich in die ganzen Mysterien einweihen, wenn du wach und bewusst deine Erfahrungen machst und bereit bist, sowohl nach aussen zu geben wie auch nach innen zu horchen.