Die Astrologie im Spiegel der Zeit

21. März 2009
Juri Viktor Stork

Saturn – Uranus – Opposition – und die Astrologie
Im momentanen Brennpunkt der Mundan-Astrologen steht vorwiegend die aktuelle Opposition von Saturn und Uranus , die das heutige Weltgeschehen bereits tüchtig prägt. Das letzte Mal fand die Opposition der beiden „Titanen“ in den Jahren 1965 bis ’67 statt, in der umgekehrten Position damals, mit Saturn in den Fischen und Uranus in Jungfrau. Auch damals war es eine spannungsgeladene Zeit, in der viel kollektive Transformationsarbeit geleistet wurde. Saturn steht für das Prinzip der Bewahrung, der Konkretisierung und Formbildung, während Uranus für die Erneuerung, für die Revolution, für das unbedingte Forwärtsschreiten steht. Die Opposition der beiden Kräfte ist spannungsgeladen und deutlich prägend für jede Zeit, in der sie auftritt. Die Wahl Obamas zum neuen Präsidenten der USA ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich Neues (Uranus) gegen Bisheriges (Saturn) durchsetzt. Da der jetzige Saturn/Uranus-Zyklus noch nicht beendet ist, werden wir in den nächsten Jahren sicher noch einige Gelegenheit erhalten, die Reaktion der saturnischen Kräfte auf das uranische Symbol „Obama“ zu beobachten, falls nicht sogar Obama selbst zum „Saturn“ wird.

Obwohl auch die aktuelle Wirtschaftskrise unter dem Einfluss dieser grossen Spannung betrachtet werden muss, spielt grade hier noch eine dritte Kraft mit: Pluto, Herrscher der Unterwelt ist, nebst seiner Rolle als Unhold und unerbittlicher Meister der Transformation, auch Herrscher über die Schätze der Erde. Im Steinbock stellt er die Frage nach der Relation von Wert und Ressource. Was ist und hat Wert? Wie funktioniert Wertvermehrung? Gibt es mehr Wert auf der Erde als real vorhanden ist? Wie sind unsere Wertvorstellungen verwurzelt? Diese Fragen müssen neu beantwortet werden, und auch hier stehen sich zwei Gegenpole gegenüber: Die saturnische Haltung, die zur Sicherheit gerne weiterfahren möchte wie bisher und sich weigert, Haltungen zu verändern, gegenüber der uranischen, die alles ganz anders machen würde und den grossen Sprung in eine neue Ordnung anpeilt. Wir werden wohl mit beiden leben müssen und selbst dafür sorgen, dass wir nicht in Versuchung geraten, uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

Doch nicht über die Wirtschaftskrise und die Politik der Grossen möchte ich hier schreiben, sondern über die Astrologie und die astrologische Community. Denn auch die Astrologie steht im Spannungsfeld von Saturn und Uranus, zwischen Bewahrung der Tradition und Aufbruch in ein neues Kapitel.

Machen wir einen kurzen Sprung zurück ins Jahr 1993, als der „International Astrology Day“ zum ersten Mal deklariert wurde. 1993 gab es noch kein Internet im heutigen Sinne, obwohl sich bereits die ersten Netzwerke bildeten. 1993 trennten sich Tschechien und die Slowakei in zwei unabhängige Staaten, Helmut Kohl war deutscher Bundeskanzler, der Film „Titanic“ erhielt elf Oscars und Franz Zappa starb 53 jährig an Krebs. 1993 wurde das Kinderhoroskop von Liz Greene lanciert, und ihr Buch „Dimensionen des Unbewußten in der psychologischen Astrologie“ (zusammen mit Howard Sasportas ) erschien in einer deutschen Fassung. Ich selbst habe 1993 meine Ausbildung zum Astrologen abgeschlossen und war zum ersten Mal Teilnehmer am Weltkongress für Astrologie in Luzern, wo ich fasziniert und etwas verängstigt inmitten der grossen Zahl von Astrologen stand und nicht so recht wusste, ob ich dazu gehören wollte oder nicht.

Die Astrologie hat sich zum Ende des letzten Jahrhunderts stetig entwickelt, an Inhalt, Form und Haltung gearbeitet, und C.G. Jungs Ausspruch, dass sie „vernehmlich an die Tür der Universität klopfe“, war nicht mehr nur ein Wunschgedanke, sondern schien in greifbare Nähe gerückt. Das Internet war auch für die Astrologen grösstenteils ein Segen und das Angebot an entsprechenden Inhalten explodierte förmlich. Paradiesische Zeiten für die ganze Community! Eine Google Suchanfrage nach dem Wort „astrology“ ergibt heute rund 37 Millionen Treffer, nach „Astrologie“ rund 10 Millionen. Der Astrologie geht es gut. Jede Portalwebsite hat ein eigenes Angebot an Horoskopen, jede Zeitung ein Tages- oder zumindest ein Wochenhoroskop, unzählige Blogs und Foren wollen an der Meinungsbildung teil haben. Die Astrologie ist zu einer Massenkultur geworden.

Jeder, der sich ein wenig tiefer mit der Materie auseinander setzt, weiss natürlich, dass das Sternzeichen-Horoskop auf der Portal-Website der Gratiszeitung mit Astrologie so viel zu tun hat wie eine Autohupe mit einem Symphonie-Orchester. Doch weiss das auch eine Öffentlichkeit? Wenn ich mit den Augen eines astrologisch ungeschulten Menschen durchs Web surfe, so finde ich viele sehr eigenartige Blüten und muss annehmen, dass diese seltsamen Angebote tatsächlich Astrologie sein müssen: Reisserisch aufgemachte Portale, die mit Hilfe von Astrologie schnellen Gewinn, sichere Beziehungen, intensiven Sex oder exakte Zukunftsprognosen versprechen. Ich finde Heilsversprechungen und -Verführungen, haufenweise Sternzeichen-Horoskope jeglicher Art, astrologische Telefonberatung von 1.50 bis 7.95/Minute. Und alles bunt durchmischt mit Engelsmedien, Auralesen, Channeling, Kartenleger, Geisterbeschwörer, Hellseher. Private Websiten, die extreme Ansichten vertreten, die sich ganz dem Krieg der Methoden verschrieben haben, Foren, deren Diskussionen sich in unerträglichen Halbwahrheiten oder in seichtesten esoterisch verbrämten Meinungen über nicht Verstandenes ergehen. Als naiver, aber kritscher Betrachter würde ich aufgrund der Menge an trivialen Angeboten im Web die Astrologie bedenkenlos als Scharlatanerie und wüsten Aberglauben klassieren.

Die Astrologie in den Medien hat in den letzten Jahren einen Salto rückwärts ins Mittelalter gemacht. Wir tummeln uns auf einem Marktplatz der Unterhaltung, direkt neben den Quacksalbern und Taschentrick-Spielereien. Dieses Umfeld ist prägend für die öffentliche Meinung. Im Jahr 2008 gab es in Österreich einen Vorstoss der „Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik“ (ÖGA2), die ein Lehrverbot für Astrologie an öffentlichen Institutionen forderten. Längst überwunden geglaubte Ressentiments feiern ihre Wiederauferstehung. Saturn oder Uranus?

Damit es klar ist: Es geht mir nicht darum, divinatorische Techniken wie z.B. das Tarot abzuwerten. Ich schätze das Tarot und anerkenne diese alte Tradition als eine wunderbare Möglichkeit, Seelenzustände zu erkunden und zu benennen. Vermutlich formulieren auch seriöse Tarotkundige ähnliche Ressentiments gegenüber der Vermarktung ihrer Kunst.

„Die Kulturphilister haben bis vor kurzer Zeit gemeint, dass die Astrologie seit langem überwunden sei, und dass man sie heute ruhig verlachen könne, aber heute erhebt sie sich aus den sozialen Tiefen und klopft an die Tür der Universitäten, aus denen sie vor dreihundert Jahren verbannt wurde.“

Ich bezweifle, dass an den Universitäten, zumindest im deutschsprachigen Raum, diesem Satz zur Zeit anders als mit einem ungläubigen Lachen begegnet wird, und das hat nicht nur damit zu tun, dass C.G. Jung in der modernen Psychologie mit ihrer stark behavoristischen Haltung zu einer Randexistenz degradiert wurde. Die astrologische Community hat es verschlafen, sich gegen den Sumpf der Wahrsagerinnen und Hellseher abzugrenzen. Astrologie ist keine Wahrsage-Kunst, ist kein Mittel, um schnelle und kurzfristige Sicherheit zu finden, sondern im Kern eine uranische, eine wilde und gefährliche Kunst, sie geht über die Grenzen der rein irdischen Existenz hinaus, versteht den Menschen als einen potentiellen Meister, der seine Kräfte (die Planeten) an die Zügel nehmen sollte, der über sie und sich selbst herrschen sollte. Ein Astrologe konfrontiert seinen Klienten mit dem, was noch nicht bewusst, noch nicht integriert ist, zumindest sollte er das, wenn er die Astrologie als Methode wirklich verstanden hat. Was hat die Astrologie dort zu suchen, wo Erlösung angeboten wird ohne die Aufforderung, sich selbst zu erlösen? Die Astrologie kann nur verlieren, wenn sie sich nicht abgrenzt gegenüber Beratungstechniken, die Menschen in der Abhängigkeit lassen, weil sie keine Methode kennen, um dem Klienten zu vermitteln, dass er selbst sein Schicksal in die Hände nehmen kann und muss, die eine Abhängigkeit sogar vorziehen, sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder aus der Perspektive des „kleinen Ego’s“, welches sich ungemein gross fühlen kann, wenn man Ratschläge erteilen kann.

Der Unterschied zwischen jeder Methode des Wahrsagens und Hellsehens und der Astrologie ist die Grundlage, auf welcher eine Aussage geschieht. Die Astrologie stützt sich auf ein Horoskop, welches gegeben ist durch feste astronomische Strukturen. Die Deutung des selben Horoskopes durch unterschiedliche Astrologen wird immer zumindest ähnliche Aussagen ergeben, sofern sie die Kunst beherrschen. Unterschiede in der Deutung werden hautpsächlich durch die differenzierten Blickwinkel der Astrologen entstehen, die Aussagen können benennt, überprüft und diskutiert werden. Das Resultat einer Horoskopdeutung kann bewertet werden, wie jeder hier im Forum weiss. Dadurch muss sich jeder kritisch mit seinen Fähigkeiten auseinandersetzen, muss sich selbst und damit die Kunst weiterentwickeln und sich mit den Aussagegrenzen auseinandersetzen.

Eine Wahrsagung hingegen ergibt eine Aussage, die nicht reproduzierbar oder überprüfbar ist, da sie sich auf ein Erleben abstützt, welches sich nur dem Wahrsagenden selbst erschliesst. Aussagen entziehen sich jeder kritischen Begutachtung, da keinerlei System vorhanden ist, welche eine solche ermöglichen würde. Man hat nur die Möglichkeit, die Aussage zu akzeptieren oder abzulehnen, eine Diskussion ist nicht möglich. Wahrsagerei ist ein Glaubens-System.

Die Fachverbände der Schweiz und Deutschlands haben dieses Problem seit einiger Zeit erkannt und verlangen von ihren Fach-Mitgliedern die Unterzeichnung eines entsprechenden Berufsgelöbnis, wo es z.B. sinngemäss heisst: “ Der SAB vertritt eine psychologisch orientierte Astrologie und grenzt sich deutlich gegen alle deterministischen und wahrsagerischen Richtungen der Astrologie ab..“ (SAB. Schweizer Astrologenbund) oder “ Ich werde mich bemühen, meine Aussagen immer so zu formulieren, dass sie den Ratsuchenden Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten eröffnen und ihre Fähigkeiten stärken, eigenverantwortlich existenzielle Entscheidungen für sich zu treffen.“ (DAV, Deutscher Astrologen Verband).

Als Abgrenzung gegenüber zwielichtiger Gestalten ist so eine Aussage schon mal hilfreich, an der Situation selbst wird sie aber nicht viel verändern. Denn selbst wenn alle Astrologen und Astrologinnen, die sich im Umfeld von grossen Beratungs-Plattformen tummeln und die Gleichsetzung mit Hellseherdiensten zumindest billigend in Kauf nehmen, sich entschliessen würden, diesen unwürdigen Platz aufzugeben, so würde es Jahre dauern, bis der Image-Schaden wieder gutgemacht wäre. Es wird grosse Anstrengungen der astrologischen Gemeinschaft brauchen, um sich aus dieser Falle zu befreien, und mancher sehnt sich vermutlich auch hier nach einem „Obama der Astrologie“, der hinsteht und sagt: „Change can happen!“.

An der heutigen Situation ist paradoxerweise der Erfolg der Astrologie zumindest mitschuldig, denn in den letzten 20 Jahren wurden von den vielen astrologischen Schulen Jahr für Jahr Dutzende von Astrologen ausgebildet und noch viel mehr lernten im Selbst- oder Fernstudium. Viele davon hatten und haben noch immer den Traum, mit der Astrologie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, investierten viel Geld und Zeit und stehen nun ernüchtert vor der Tatsache, dass es nur einer kleinen Zahl letztendlich gelingt, sich Rang und Namen zu machen, und nicht zwingend gehören hier die besten Astrologen dazu, sondern diejenigen, die die Mechanismen der Werbung und des Marktes am besten beherrschen. Der Schritt in die Beratungs-Falle eines Dienstleisters ist durchaus nachvollziehbar. Der Platz zwischen Wahrsagerei und Hellsehen verhilft vielleicht dem einzelnen Astrologen zu Klienten. Längerfristig schader er aber der Astrologie und damit auch sich selbst.

Der Markt hat sich der Astrologie bemächtigt. Leute, die von Astrologie so gut wie nichts verstehen und diese im Grunde verachten, haben entdeckt, dass sich mit der schnellen Beratung mittels happigen Provisionen viel Geld verdienen lässt. Jede astrologische Beratungsstunde, die im Umfeld der Wahrsager-Portale gegeben wird, und sei sie noch so kompetent, schwächt den Stand der Astrologie, was sich bereits heute auch zahlenmässig zeigt: Waren zu Beginn des Beraterportal-Booms in der monatlichen Zeitschrift des grössten Anbieters in Deutschland noch etwa gleich viele Astrologen wie Hellseher und Kartenleger als „Experten“ aufgelistet, hat die Anzahl der astrologischen Angebote in der letzten Zeit stark abgenommen. Heute sind noch rund 80 Astrologen aufgeführt, gegenüber von 500 Kartenleger und 350 Hellsehern! Ist es die Einsicht der Astrologen, dass sie in diesem Umfeld nichts zu suchen haben oder bereits Auswirkung einer fatalen Liaison? Ist es die Rezeption von Neptun in Wassermann und Uranus in den Fischen, die eine klare Haltung der Astrologen verhindert? Wo ist der Saturn der astrologischen Community, der für Abgrenzung sorgt und damit auch für eine eigenständige Position in der Welt?

Und wo ist eigentlich Uranus zu finden? Wenn wir nach Uranus fragen, dann gilt es, grosse Ohren zu bekommen, in das Unbekannte zu horchen. Die Nase in den Wind zu halten und nach verborgenen Düften zu riechen. Aus der Stille heraus die Menschen und ihre Bewegungen zu betrachten. Uranus wirkt immer aus der Mitte heraus, er indiziert neu Muster, die klein beginnen und sich aufschaukeln zu kulturell nicht mehr zu übersehenden Bewegungen. Doch auch als überpersönliche Kraft braucht er wie jeder andere Planet immer zuerst einzelne Menschen, um sich auszudrücken.

Die Astrologie ist eine uranische Kraft, wir Astrologen sind aber vermutlich eher saturnisch geprägt: Viele Astrologen kennen eine tiefe Lebensangst, welche die Grundlage der Beschäftigung mit der Astrologie ist: Im schlimmsten Fall ein Versuch, die (vermeintlich) gefährdete Kontrolle über die eigene Existenz zu behalten, im besten Fall ein Instrument, welches die Verarbeitung der eigenen existenziellen Angst durch Einsicht in die Struktur des Lebens ermöglicht. Entsprechend der Haltung wird die Qualität der Beratung ausfallen.

Die Astrologie ist eine uralte Sprache. Seit Jahrtausenden arbeitet sie fast unverändert mit der gleichen, begrenzten Anzahl von Bausteinen, die Grundmuster unserer Wahrnehmung von energetischen Zuständen abbilden. Diese Wahrnehmung ist kulturell geprägt, die Muster bleiben die selben: Expansion, Zentrierung, Grenzensetzendes usw. In den letzten Jahrhunderten sind ein paar neue Elemente dazu gekommen, aber man kann nicht davon ausgehen, dass uns nochmals eine ähnlich grosse Anzahl an neuen Planeten „geschenkt“ wird. Wir müssen mit dem Leben, was wir haben. Uranus‘ Geschenke waren schon immer kulturelle Gaben: Die Möglichkeit, gegenüber der immer gleichen Schöpfung eine neue Sichtweise zu finden und eine andere Haltung einzunehmen.

Wie wenden wir also das Vorhandene in einer neuen, kreativen Art und Weise an, die es uns ermöglicht, kulturelle Prozesse aufzunehmen und zurückzuspiegeln? Die Verbindung von Astrologie und Psychologie wurde als Mainstream von einer Generation initiert, die tief geprägt ist durch die letzte Saturn/Uranus-Opposition, dem Zündfunken der 68er-Bewegung. Diese Generation identifizierte sich stark mit dem „New Age“, einige erweiterten die Grenzen der Wahrnehmung enorm durch den Gebrauch von bewusstseinserweiternden Drogen und der Erforschung von Trance-Techniken, und das derart bereicherte Kollektiv benötigte demzufolge auch neue Landkarten für diese unerforschten Gebiete. Die Psychologie ist eine solche Landkarte, und die Verbindung mit der Astrologie durch die Astrologen dieser Generation naheliegend. Die psychologische Astrologie ist seit den 70er Jahren ein akzeptiertes und geschätztes Werkzeug. Welches war das vorherrschende Gefühl in den 60er Jahren, das einen Weg in diese gewaltige Explosion der Jugend-Kultur ermöglichte, neue Formen des Zusammenlebens hervorbrachte und unzählige Menschen dazu brachte, Liebe und Freiheit zu propagieren Angesichts des Vietnamkrieges und dem kalten Krieg?

Und welches ist das heute vorherrschende Gefühl? Alles ist in Veränderung, nichts mehr wie früher, unsere kollektiven Prozesse signalisieren einen Wendepunkt, einen Quantensprung oder Zusammenbruch, je nachdem aus welcher Perspektive man sich die ganze Sache anschaut. Die Umweltzerstörung scheint unaufhaltbar fortzuschreiten, die Klima-Erwärmung uns auf Jahrzehnte in ein Feld der Unsicherheit zu führen, das individuelle Leben verliert an Wert, und obwohl wir eine noch vor kurzer Zeit unvorstellbare Dichte an Kommunikationskanälen haben, kommunizieren wir viel unsicherer als vorher, da das Zuviel an Meinungen und die Virtuosität der Meinungsmanipulation in Massenmedien das persönliche Urteil erschweren und so ein Klima des Zweifels und des Misstrauens geschaffen haben. Politische und wirtschaftliche Regeln, die vor kurzem noch gültig waren, werden ausser Kraft gesetzt, stillschweigend, unter Missachtung jeglicher bestehender Verbindlichkeiten. Wir stecken tief in einer Phase des kollektiven Chaos, welche schon immer Vorbote war von uranischen Sprüngen.

Sehr spannend ist, dass zu diesem Zeitpunkt ein Buch erschienen ist, welches sich mit Chaos-Forschung und Astrologie beschäftigt: „Astrologie zwischen Chaos und Kosmos“, von Bernadette Brady. Sie untersucht die verblüffende Ähnlichkeit der Erkenntnisse der Chaosforschung mit denjenigen der astrologischen Weltsicht und beschreibt die signigikante Übereinstimmungen bei der Strukturenbildung in selbstorganisierenden Systemen und dem Ansatz der Astrologie, Strukturen der Zeit qualitativ zu bewerten. Hier tut sich ein komplett neuer Ansatz zum Verständnis der Astrologie als Methode, und Bernadette Brady hat sicher zu Recht im Jahr 2008 am UAC in Denver den „Marion March Regulus Award“ dafür erhalten. Ich empfehle dieses Buch jedem, der sich mit möglichen Entwicklungen der Astrologie in naher Zukunft auseinandersetzen will.

Für mich erstaunlich (oder auch nicht) ist die Synchronizität der Erst-Erscheinung eines Buches über den Zusammenhang von Chaos und Astrologie zu einem Zeitpunkt kurz vor dem Ausbruch der heutigen Krise (2007), zu einem Zeitpunkt, wo das Knacken im Gebälk zwar schon hörbar war, die Dimension der Krise und deren Folgen jedoch noch kaum abschätzbar waren. Werden uns hier neue Werkzeuge geschenkt, und wie könnten wir diese verwenden? Folgt der Generation, die die Psychologie als Werkzeug der Astrologie verstanden hat, eine Generation, die Möglichkeiten entwickeln kann, chaotische Prozesse zu erkennen, zu benennen und deren Strukturen zu erforschen, bevor sie sich zeigen und damit der Menschheit neue Entwicklung zu ermöglichen? Das Anbrechen eines neuen, magischen Zeitalters?

Nicht die Frage nach dem „Was“ bringt uns weiter, nicht das herumspielen mit virtuellen Punkten, neuartigen Planeten-Knoten, neu entdeckten Himmelskörpern, obwohl auch das Spielen mit diesen Elementen durchaus lustvoll und fruchtbar sein kann. Doch die menschliche Kreativität ist nicht abhängig von „neuen Spielzeugen“, wir haben die Fähigkeit, mit dem Vorhandenen immer wieder Neues zu schöpfen. Es ist die Frage nach dem „Wie“, die Entwicklung ermöglicht. Das ist die Kraft des Uranus, auch in der Astrologie. Wir MÜSSEN die Astrologie weiter entwickeln, Neues wagen, mit den selben Bausteinen Neues versuchen, auch wenn eine innere, saturnische Stimme meint, dass das nicht gehe, das sich das nicht gehöre, dass dies den Untergang bedeute und sich fürchtet vor den Konsequenzen . Uranus ist eine wilde Kraft, die, wenn sie nicht wahrgenommen wird, sich plötzlich und mit aller Schärfe meldet und zur Veränderung zwingt. Wir alle sind aufgefordert zum Tanz.