Am Beginn der Wendezeit

17. Dezember 2020
Juri Viktor Stork

Eine astrologische Vorschau auf das Jahr 2021

Am Ende eines Jahres, das uns mit äusserst schwierigen Themen konfrontiert hat und viel Angst, Stillstand und Zerfall brachte, ist die Sehnsucht nach besseren Zeiten wohl so gross wie noch selten. Zahlreiche Astrologen haben diese Entwicklung vorausgesagt, auch ich, im Artikel «Tanz auf der Schwelle» im Dezember 2019. Doch als Astrologe sollte man sich hüten, auf eine solche Treffsicherheit allzu stolz zu sein, denn der Zerfall folgt simplen Regeln, und er ist einfach zu beschreiben. Das, was abstirbt, hat ja bereits im Leben gestanden, seine Strukturen und Qualitäten sind bekannt. Zum Jahresbeginn 2021 sieht die Situation völlig anders aus, denn noch selten war die Zukunft so offen wie jetzt. Dennoch möchte ich versuchen, die Zeitqualität ein wenig zu erhellen. So viel lässt sich bereits sagen: Wir befinden uns mitten in einer Zeitenwende.

Keine Wahrsagerei

Eine astrologische Prognose ist keine Wahrsagerei, sondern sie beschreibt zukünftiges Geschehen aufgrund der aktuellen Gegebenheiten und Muster, unter Einbezug der Bewegungen von Himmelskörpern im Tierkreis. Das Resultat sind Wahrscheinlichkeiten mit unterschiedlicher Genauigkeit. Wie in der Meteorologie gibt es auch in der Astrologie Zeiten, in der die «Wetterlage» derart labil ist, dass es sehr schwer fällt, die zukünftige Entwicklung vorauszusagen. Zum jetzigen Zeitpunkt (Mitte November) stecken wir noch mitten in der Phase des Zerfalls tragender gesellschaftlicher Strukturen. Panik, Ohnmacht und all die verzweifelten Versuche, das Geschehen irgendwie zu kontrollieren, haben ein chaotisches Feld erzeugt, in dem der Zufall sich die Dinge mal in diese, mal in jene Richtung entwickeln lässt.

Die Konjunktion von Saturn und Pluto im Januar 2020 liess dieses Geschehen erwarten. Die zentralen Strukturen der Gesellschaft werden auf ihren Lebenswillen geprüft. Das, was nicht mehr ausreichend Lebenskraft hat, läuft Gefahr, abzusterben. Plötzlich ist niemand mehr da, der uns verlässlich sagen kann, was wir nun tun sollen. Wir erleben eine noch nie da gewesene Fragmentierung in allen Lebensbereichen und ein Schwinden der kollektiven Übereinkunft, die Welt gemeinsam zu gestalten.

Der Flügelschlag des Schmetterlings

Wenn die innere Ausrichtung fehlt, kann schon ein kleiner Impuls mächtige Auswirkungen haben. In der Physik wird dieses Phänomen als «Schmetterlingseffekt» beschrieben. Die Astrologie weiss, dass es Zeitfenster gibt, in denen solche Impulse stärker wirken als sonst. Die alten Griechen personifizierten dies in «Kairos», dem Gott des rechten Augenblicks. Wir sind gut beraten, wenn wir uns als inmitten eines solchen (langen) Augenblicks verstehen. Begonnen hat er bereits im Januar 2020 mit der Konjunktion von Saturn und Pluto, und er wird noch einige Zeit andauern. Die zeitlose Komponente dieser Phase wird wohl erst im Rückblick sichtbar werden.

Von einer Meta-Ebene aus betrachtet gleichen die aktuellen Vorgänge einer schamanischen Initiation. Im Moment sind wir noch immer im schmerzhaften und angstvollen Prozess einer Auflösung der alten Identität. Nichts weist darauf hin, dass der Schrecken irgendwann ein Ende haben wird. Im schamanischen Kontext ist ein Prozess der Ego-Auflösung und der Zerstückelung der alten Form die Vorbedingung, um überhaupt eine neue Identität empfangen zu können. In unserem kollektiven Prozess könnte es ähnlich verlaufen. Doch nun, nach einer langen Phase der Auflösung, setzt am 21. Dezember 2020 mit dem Tag der Wintersonnenwende in diesem Prozess eine neue Phase ein.

Wintersonnenwende – Das Neue wird empfangen

Seit alters her gilt die Wintersonnenwende als eines der wichtigsten Ereignisse im Jahreslauf. Es ist das Ende und der Anfang eines neuen Sonnenzyklus und der Zeitpunkt der Wiedergeburt des Lichtes. Das, was in diesem dunkelsten Moment des Jahres als geistiger Same empfangen wird, wird das ganze Jahr über seine Wirkung entfalten. Diesmal handelt es sich aber um weit mehr als «nur» um eine übliche Sonnenwende. Zeitgleich findet nämlich auch eine Konjunktion von Saturn und Jupiter auf 0° Wassermann statt, was den Beginn eines noch grösseren, zweihundertjährigen Zyklus einläutet. Es handelt sich um eine veritable Zeitenwende mit starken Auswirkungen auf die kommenden Jahrzehnte.

Die grosse Konjunktion

Alle rund zwanzig Jahre treffen sich Saturn und Jupiter im Tierkreis. Die Begegnung der beiden gesellschaftlichen Planeten wird auch «Grosse Konjunktion» genannt. Im Altertum wurde sie als Königsaspekt verstanden. Bei der Gelegenheit wurde der Herrscher auf seine Tauglichkeit hin geprüft und allenfalls durch einen jüngeren ersetzt. Meist lassen sich markante Veränderungen im kollektiven Selbstverständnis feststellen, die Auswirkungen auf die Verteilung der politischen Kräfte haben. Die Konjunktion von Saturn und Jupiter steht symbolisch für eine Vereinigung von Geistig-Spirituellem mit Weltlich-Politischem. Das Tierkreiszeichen, in dem die Konjunktion stattfindet, prägt thematisch das öffentliche Leben für die nächsten zwanzig Jahre. In diesem Jahr findet die Grosse Konjunktion am selben Tag wie die Sonnenwende statt. Die Gleichzeitigkeit dieser beiden astrologisch stark aufgeladenen Ereignisse ist äusserst selten. Das, was zu diesem Zeitpunkt von uns empfangen wird, wird sich tief in der Wurzel der Menschheit einpflanzen.

Das Zeitalter des Menschen

Die diesjährige Grosse Konjunktion zeigt aber noch ein weit grösseres Geschehen an. Die Konjunktionen von Saturn und Jupiter finden während rund 200 Jahren immer im selben Element statt, mit Ausnahmen in den Übergangsphasen. Die letzten 200 Jahre waren sie stets in den Erdzeichen Stier, Jungfrau und Steinbock. Unser kultureller Fokus auf materiellen Besitz, die intensive Ausbeutung der Bodenschätze oder auch die grossen Kriege um Land und Einfluss sind bestimmt ein Ausdruck davon. Mit dieser grossen Konjunktion beginnt ein neuer Zyklus in den Luftzeichen Wassermann, Zwillinge und Waage. In diesen Zeichen geht es um den Menschen, um die Welt des Geistes, um Kommunikation, Wissen und Handel. Die Begegnung von Saturn und Jupiter am 21. Dezember 2020 findet auf dem allerersten Grad von Wassermann statt. Dies ist die Initialzündung für eine Entwicklung, die den Fokus mehr und mehr auf den geistigen Menschen richten wird – eine hoffnungsvolle Perspektive.

Die Zeitenwende

Somit stehen wir am Anfang einer Zeitenwende. Wird es das viel besungene «Age of Aquarius», demnach eine Zeit des friedvollen Miteinanders sein? Unsere Kinder und Enkelkinder werden dies vielleicht einst beantworten können. Veränderungen in dieser Grössenordnung benötigen Jahrzehnte, und solche Übergangszeiten sind reich an Konflikten. Es ist kaum anzunehmen, dass sich unsere kollektive Verkrampfung ins «Haben» nun einfach auflösen wird. Unsere alten Gewohnheiten und Machthaber werden sich mit aller Kraft zu behaupten suchen. Und doch wird der Wind der Erneuerung zu spüren sein, und dies ganz besonders im Jahr 2021.

Die Freiheit auf dem Prüfstand

Die beiden grossen Themen des Wassermanns sind die Freiheit und das Kollektiv. Das Tierkreissymbol zeigt eine menschliche Figur, die Wasser aus zwei Krügen ausgiesst. Dieses Ausgiessen von Wasser beschreibt die Fähigkeit, sich zu lösen von der Bindung an Zeit und Dualität. Im Wassermann wird erkannt, dass die wahre Freiheit des Menschen im Geiste zu finden ist. Der Wassermann sagt uns, dass Bindung und Anhaftung an das Materielle vom einzelnen Menschen überwunden und gelöst werden kann und dass die wahre Natur des Menschen eine geistige ist. Die Grosse Konjunktion im Wassermann könnte den Beginn einer Renaissance des geistigen Menschen bedeuten.

Wie wir jedoch alle nur zu gut wissen, haben die wenigsten von uns die Bindung an die Materie überwunden. Saturn in Wassermann wird uns deshalb in den nächsten drei Jahren mit ganz konkreten und heiklen Fragen rund um die Freiheit und deren Grenzen konfrontieren. Gesellschaftliche Bedürfnisse und Notwendigkeiten sowie individuelle Freiheitsansprüche müssen in eine neue Balance gebracht werden. Das ist ein schwieriger Akt vor dem Hintergrund einer zu Ende gehenden Spassgesellschaft. Die Gefahr ist, dass versucht wird, «Freiheit» kollektiv zu regeln und die eigenen Vorstellungen von Freiheit anderen aufzuzwingen.

Thematisch wird dem Tierkreiszeichen Wassermann auch Technik und insbesondere Computertechnologie und das Internet zugeordnet. Im «World Wide Web» ist die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf persönliche Freiheit und den Bedürfnissen des Kollektivs besonders ausgeprägt. Wie weit darf die persönliche Freiheit gehen, wie weit staatliche Eingriffe und Auflagen von Betreibern der sozialen Medien? Beinhaltet die freie Meinungsäusserung auch einen Freibrief, zu lügen, zu zensurieren, zu manipulieren oder das Kollektiv mit Hass zu vergiften? Der zurzeit nur notdürftig regulierte virtuelle Raum könnte in den nächsten Jahren starken Veränderungen unterworfen sein. Generell kann in dieser Zeit auch mit neuen technologischen Entwicklungen gerechnet werden, die Auswirkungen auf die sozialen Komponenten unserer Kultur haben.

Die ins Haus stehende Neudefinition von Freiheit kann zu starken Spannungen führen, da sie unweigerlich auch die Gefahr von persönlichen Einschränkungen mit sich bringt. Die Bedürfnisse des Kollektivs wiegen in dieser Zeit etwas schwerer als die des Einzelnen. Dies muss nicht zum Nachteil des Individuums sein. Allerdings besteht eine grosse Gefahr darin, dass dieser Prozess mittels ideologischer Aufladung geschieht. Dann bilden sich «Glaubensgemeinschaften» aus Gleichgesinnten, die sich hinter verschiedenen Ideologien verschanzen – der mögliche Ausdruck einer Schattenseite des Wassermannes.

Wem gehört die Welt?

Im Jahr 2021 beginnt also eine tief greifende Auseinandersetzung zwischen der alten Erdverhaftung und einer neuen, uns vielleicht noch nicht einmal bekannten Lebenshaltung. Wir werden nun Schritte in eine unbekannte Zukunft tun müssen. Stillstand wird kaum mehr möglich sein. Wir werden aufgefordert, den Menschen und unser Zusammenleben ganz neu zu denken. Dies sind das Geschenk und die Chance, die uns das Jahr 2021 bietet. Konfliktfrei wird das kaum möglich sein. Die drei Spannungsaspekte, die während des Jahrs zwischen dem reformfreudigen Wassermann-Saturn und dem unberechenbaren Stier-Uranus gebildet werden, bieten reichlich Zündstoff. Wem gehört die Welt? Ist Besitz sakrosankt? Was ist wichtiger: der Fortbestand der Menschheit oder Privateigentum?

Das sind Fragen, die den Kern unserer Gesellschaftsform betreffen. Nach Jahrzehnten eines hemmungslosen Konsums werden die Auseinandersetzungen um diese Fragen entsprechend heftig ausfallen. Unwillig beharren die einen darauf, dass alles so bleibt wie es war, und sie träumen von «guten alten Zeiten». Jene aber, die den frischen Wind spüren, wollen nun endlich vorwärtsschreiten, die Zukunft gestalten, ohne richtig zu wissen, wohin die Reise geht. Der Konflikt zwischen Besitzstandswahrung und Reformation der Gesellschaft betrifft uns alle, und die entsprechenden Auseinandersetzungen können grosse Verlustängste auslösen. Werden diese nicht thematisiert, könnte es durchaus sein, dass sich all die kleinen menschlichen Verlustängste in einem grossen Trotz manifestieren. Es ist zu hoffen, dass sich Menschen finden, die den Mut und die Kraft haben, durch Dialog zwischen diesen widersprüchlichen Haltungen zu vermitteln, um uns Wege zu zeigen, die für alle gangbar sind. Wir alle sind dazu aufgefordert, uns in diesen Prozess einzubringen.

Wohin geht die Reise?

Ich möchte abschliessend einen Satz im ersten Abschnitt wiederholen: Selten war die Zukunft so offen wie jetzt. Wir befinden uns in einer Situation, in der niemand mit Sicherheit sagen kann, wohin die Reise geht. Dies bedeutet, dass wir alle direkt oder indirekt am Geschehen beteiligt sind. Nehmen Sie sich am 21. Dezember einen Moment Zeit, um sich einzuschwingen in das spezielle Energiefeld der diesjährigen Sonnenwende. Ein jeder kollektiver Prozess beginnt mit einzelnen Menschen. Das, was Sie selbst in dieser Zeit empfangen, könnte ein Schlüssel sein, der allen dient. Versuchen Sie, nicht in Vorstellungsbildern einer Initiation hängenzubleiben, sondern seien Sie offen für das, was tatsächlich geschieht, was Sie tatsächlich empfinden, fühlen, denken oder sehen. Die primäre Signatur des Neuen ist, dass Sie es noch nicht kennen. Es braucht grosse Klarheit und Selbstdisziplin, um Neues wahrzunehmen.

Die Welt braucht uns im neuen Jahr ganz besonders. Tauschen Sie sich mit anderen aus. Sprechen Sie mit ihnen über das, was mit Ihnen geschieht, über das, was Sie sich wünschen und erträumen. Es ist ein Jahr, in dem wir darüber sprechen müssen, wie es weitergehen soll mit uns Menschen auf diesem Planeten. Sprechen Sie mit Gleichgesinnten, und sprechen Sie mit Andersdenkenden. Seien Sie bereit zuzuhören. Es ist ein Jahr, in dem der Austausch mit anderen äusserst wichtig ist, ein Jahr, in dem wir die Geschichte gemeinsam weitererzählen müssen.

Und zum Schluss noch eine ganz persönliche Bitte: Lesen Sie meine Zeilen kritisch, glauben Sie mir nicht einfach so. Ich bin Astrologe, nicht Seher; ich hantiere mit Wahrscheinlichkeiten. Die Grenzen dieser Wahrscheinlichkeiten werden gebildet durch meine Weltsicht, meine Interpretationsfähigkeit und durch mein Vorstellungsvermögen. Es ist möglich, dass sich die Dinge ganz anders entwickeln. als von mir aufgezeigt. Glauben Sie die Zukunft auf Ihre ganz eigene Weise, dann werden Sie teilhaben an der Gestaltung einer neuen Welt.

Juri Viktor Stork, 15. November 2020

Titelbild: „Aurum“ – Landart im Binntal, von Joëlle Allet