Die Betrachtung der Zeitqualität

05. Juli 2015
Juri Viktor Stork

Astrologie ist eine Methode, die den Anspruch hat, die Qualität der Zeit beurteilen zu können. Sie ist eigentlich ein Messinstrument, welches die Himmelskörper unseres Sonnensystems und den Tierkreis bezw. den Frühlingspunkt (Widderpunkt) als „Skala“ verwendet und diese Eckpunkte in Bezug zu einem definierten Punkt auf der Erde bringt, den Geburtsort (eines Menschen, eines Tieres, einer Sache oder eines Ereignisses).

Ich gehe im Folgenden in keiner Weise auf die Details der verschiedenen Elemente ein, welche in einem Horoskop aufgrund dieser Skala aufgezeichnet werden, wie z.B. die Qualitäten einzelner Tierkreiszeichen oder Planeten. Ich möchte hier ein paar Gedanken festhalten über das, was in der Astrologie eigentlich gemessen wird.

Messen
Ein Messinstrument gibt eine quantitative Grösse aus, z.B. die Länge einer Strecke, ein Gewicht eines Objektes oder die Länge eines Zeitabschnittes. Eine solche Grössenangabe sagt für sich alleine nicht viel aus, sie muss in einen Kontext gestellt werden. Bei einer sichtbaren Grösse wie der einer Strecke ist das einfach, weil ein Muster erstellt werden kann wie z.B. der Urmeter (http://de.wikipedia.org/wiki/Urmeter). Im Vergleich mit solch einem Muster kann nun jede Strecke und Ausdehnung erfasst werden. Man darf aber nie vergessen, dass die Dimensionen solch eines Musters vollkommen willkürlich sind. Die Länge eines Meters, das Gewicht eines Kilos, der Inhalt eines Liters sind in einer kollektive Übereinkunft festgelegt worden und nicht von der Natur vorgegeben.

Bei einer Grösse wie der Zeit ist es schon komplizierter, weil Zeit nicht etwas sichtbares ist und auch keine Masse hat. Doch wie jeder weiss, haben wir auch dieses Problem im Laufe der Jahrtausende so gelöst, dass heute messbare „Zeit“ als selbstverständlich gilt, ja sogar ein Leben ohne die ständige Präsenz der Mess-Skala dem grössten Teil der Menschheit unvorstellbar ist.

Die Qualität der Zeit
Die Astrologie hat den Anspruch, Aussagen über die Qualität oder die „innere Beschaffenheit“ eines Augenblickes zu machen. Sie misst die Qualität der Zeit. Wie macht sie das? Wohin wird der Fokus eigentlich gerichtet, und was wird als „Muster“ verwendet? Was ist der „Ur-Meter“ der Astrologie? Wir müssen uns dazu genauer anschauen, was „Zeit“ denn überhaupt ist.

Zeit existiert nicht ausserhalb des Betrachters
Zeit ist für jeden Menschen etwas völlig normales. Wir leben in einer Welt der Zeitlichkeit. Der Blick auf die Uhr, das Festlegen eines Termins, das Rennen auf den Bus – dies ist unser Alltag. Selbst dort, wo es keine Uhren gibt existiert Zeit. Tag und Nacht, Neumond, Vollmond. Vorher hat es weh getan, jetzt ist es angenehm. Alles Leben auf diesem Planeten wird geboren, wächst in seine Form, und stirbt irgendwann wieder. Zeit ist für jeden Menschen eine Dimension, die er aus Erfahrung kennt.

Doch „Zeit“ als unabhängige Grösse existiert nicht ausserhalb des Betrachters, wir kreieren sie in unserem Bewusstsein. 

So wird z.B. in Wikipedia über die Zeit geschrieben:

„Etwas, das man als Fließen der Zeit interpretieren könnte, kommt in der Physik nur durch wahrscheinlichkeitheoretische Begriffe vor, die mit dem Begriff der Entropie zusammenhängen (siehe unten), obwohl die Begriffe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in den Einsteinschen Theorien mathematisch-präzise sind und messbare Bedeutung haben. Bei genauer Betrachtung erweist es sich aber zunächst als völlig unklar, wie ein Fließen der Zeit in der Sprache der Physik oder Mathematik oder irgendeiner anderen Wissenschaft präzise beschrieben werden könnte.

So ist beispielsweise die Aussage, dass die Zeit fließe, nur dann sinnvoll, wenn eine davon unterscheidbare Alternative denkbar ist. Die naheliegende Alternative der Vorstellung einer stehenden Zeit, beispielsweise, führt jedoch zu einem Widerspruch, da sie nur aus der Sicht eines Beobachters denkbar ist, für den die Zeit weiterhin verstreicht, sodass der angenommene Stillstand als solcher überhaupt wahrnehmbar ist (siehe auch Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant): Könnte man die Zeit anhalten, für wie lange „stünde“ dann die Zeit?

Das scheinbare Fließen der Zeit wird daher von vielen Physikern und Philosophen als ein subjektives Phänomen oder gar als Illusion angesehen. Man nimmt an, dass es sehr eng mit dem Phänomen des Bewusstseins verknüpft ist, das ebenso wie dieses sich einer physikalischen Beschreibung oder gar Erklärung entzieht und zu den großen Rätseln der Naturwissenschaft und Philosophie zählt.“
Wikipedia, Zeit

Zeitwahrnehmung ist eine Funktion des Bewusstseins
Wir kreieren die Zeit in unserem Bewusstsein, in dem wir ein „Vorher“ und ein „Nachher“ erzeugen. Wir leben in der Gegenwart, erinnern uns an etwas oder stellen uns etwas vor, das noch nicht geschehen ist. Dieser Vorgang ist eine Funktion unseres Bewusstseins, er entzieht sich unserer Kontrolle. Wir kreieren Realität durch Unterscheidung, und Zeit ist ein unabdingbares Element dabei.

Das Zeitempfinden wird durch das Erleben von Tag und Nacht indiziert, durch die Phasen des Mondes oder durch die Jahreszeiten – durch die Erfahrung der natürlichen Bewegungsphasen in der Welt. Es ist eine Empfindung, die wohl sämtliche Lebewesen haben, die Teil haben an den Phasen von Licht und Dunkel auf dieser Erde. Doch wir Menschen haben die Fähigkeit, uns ein Stück zu distanzieren von den natürlichen Vorgängen. Wir können eine Meta-Ebene einnehmen und uns so über Vorgänge bewusst werden.

Unsere Vorfahren haben eine differenziertere Struktur erschaffen, die Zeit zu messen: Monate (Mondphasen), Jahre (Sonnenphasen), Stunden, Minuten und Sekunden. Wir können die Zeit nun anhand eines kollektiv festgelegten Musters vergleichen. Doch noch immer ist „Zeit“ etwas, das ausschliesslich in unserem Bewusstsein stattfindet.

Vergangenheit und Zukunft existiert nur in unserem Denke
Dass jedes in die Zukunft gerichtete Denken immer in der Gegenwart stattfindet, ist für die meisten Menschen nachvollziehbar, wenn man sie darauf aufmerksam macht. Schliesslich ist es uns bewusst, dass beispielsweise der lang ersehnte Sommerurlaub noch nicht jetzt im Winter beginnt.

Doch auch die Vergangenheit findet immer „jetzt“ statt! Er-Inner-ungen sind innere „Bilder“, welche ausschliesslich in der Gegenwart erscheinen, so wie jegliches Denken nur in der Gegenwart stattfinden kann. Es hat den Anschein, als sei etwas „früher“ geschehen, aber in Tat und Wahrheit existiert dieses „Früher“ ausserhalb unseres Bewusstseins nicht. Wir sehen vielleicht die Spuren und Zeichen eines zurückliegenden Ereignisses, doch die Wahrnehmung dieser Spuren und Zeichen findet ausschliesslich jetzt statt. Man könnte sagen, dass die Vergangenheit „nur“ als Illusion existiert, sie ist eine Konstruktion des Bewusstseins.

Wir können nun eine grundsätzliche Aussage machen, die sich in unserem eigenen Erleben erfahren lässt: Der Fluss der Zeit ist ein mentales Produkt unseres Bewusstseins. Eine objektive Zeit existiert nicht. Ohne Zeitwahrnehmung existiert die Realität, wie wir sie kennen, nicht, da es keine Vergleichsmöglichkeit gibt, kein „Davor“ und kein „Danach“ und auch keine Möglichkeit, zu denken. Zeitwahrnehmung ist der „Raum“, in dem Bewusstsein sich entfalten kann.

Was hat das mit Astrologie zu tun?
Da nun die Astrologie eine Methode zur Untersuchung der Zeitqualität ist, eine objektive Zeit jedoch nicht existiert, was genau wird denn eigentlich untersucht?

  • Das Bewusstsein untersucht die Qualität dessen, was es selbst produziert.
  • Als „Muster“, als Messeinheit nimmt das Bewusstsein (der Betrachter) die Gesamtheit der vorhandenen Materie, die Himmelskörper unseres Sonnensystems, und stellt sie in eine Relation zu sich selbst.
  • Das „kleinste“, das keine materielle Dimension besitzt, schaut auf das Grösste, die Gesamtheit der vorhandenen Materie, um einen Einblick in die Qualität dessen zu erhalten, was es selbst erzeugt: die Zeit.

Es scheint also, als wenn wir mit Hilfe der Astrologie genau die Schnittstelle zwischen Bewusstsein (Geist) und Erscheinung (Materie) untersuchen können. Sie gibt uns eine Möglichkeit, um in diesen „Zwischenraum“ zu horchen (ich glaube nicht, dass es dort tatsächlich einen Zwischenraum gibt), in dem die Schöpfung im Menschen stattfindet.